Der Schöpfungsmythos der Japaner
Japan wird auch gerne als "Land der aufgehenden Sonne" bezeichnet und dieser Ausdruck ist tief in den alten Mythen verwurzelt.
Die Historiker waren so gründlich und haben ihre Mythen in den beiden ältesten japanischen Geschichtswerken Kojiki (Aufzeichnung alter Geschehnisse) und Nihongi (Chronik Japans) festgehalten. Überraschenderweise weichen die Geschichten in diesen beiden Büchern kaum von einander ab. Somit kristallisierte sich ein ziemlich gradliniger Mythos heraus, der tief im Gedächtnis und der Kultur der Japaner verwurzelt ist.
Der Ursprung der japanischen Mythologie liegt im Shinto – der japanischen Urreligion. Wörtlich übersetzt bedeutet Shinto: "Der Weg der Götter" und beinhaltet eine Lebensweise oder -philosophie, die auch heute noch aktiv von den Japanern gelebt wird.
Die Japaner verwenden auch gerne den Namen " Land der Götter" für ihr Inselreich und bestehen darauf, direkt von den Göttern – speziell von der Sonnengöttin Amaterasu – abzustammen. Bis 1946 wurden die fast lückenlos aufgeführten Kaiser in Japan als "Götter auf Erden" verehrt. Dann verneinte Kaiser Hirohito – der 124. Tennō Japans (Tennō = „Himmlischer Herrscher“) - seine Göttlichkeit, auf Drängen der USA. Unglücklicherweise führte die Japaner die Annahme ihrer göttlichen Abstammung und die dadurch bestehende Überzeugung, allen anderen Menschen überlegen zu sein, in den zweiten Weltkrieg.
Die Verneinung seiner Göttlichkeit machte 1946 vielleicht Eindruck auf den Rest der Welt – nicht aber bei der japanischen Bevölkerung. Dort ist man sich immer noch sicher, direkt von den Göttern abzustammen – allerdings inzwischen mit etwas mehr Bescheidenheit.
In den japanischen Mythen zeigen sich Einflüsse der chinesischen Religionen, besonders des Buddhismus, der ca. im 6. Jahrhundert durch nordchinesische und koreanische Einwanderer nach Japan kam. Doch die beiden Religionen Shinto und Buddhismus kamen sich nicht in die Quere, sondern vermischten sich. So werden manche Götter sowohl als Kami (jap. Gottheit) als auch als Buddha ("Erleuchteter") verehrt und es ist nicht immer ganz eindeutig, aus welcher Religion dieser Gott oder Göttin kommt.
Das Grundprinzip des shintoistischem Glauben ist keine "Paragraphen-Religion" wie etwa die christliche oder islamische, sondern eher als gelebte Philosophie zu verstehen. Die japanischen Gottheiten – die Kami – sind nicht unbedingt allmächtig und auch selten unsterblich. Sie werden als höhere Wesen verstanden, die mit ihren Mächten die Natur, das Leben, die Menschen und die Welt im Gleichgewicht halten. Dazu gehört natürlich der Ausgleich zwischen "Gut" und "Böse".
Japanische Kamis können in allem vorhanden sein: ein Baum, der besonders schön gewachsen ist; ein Fluss der ungewöhnliche Biegungen und Mäander aufweist, Berge, die von majestätischer Größe sind, und viele andere Schauplätze der Natur, die eines besonderen Blickes würdig sind. Natürlich dürfen hierbei die bösen Kamis auch nicht fehlen. Sie erscheinen in unglückbringenden Naturkatastrophen, in hässlichen Tieren oder schlimmen menschlichen Schicksalen.
Doch wie in allen Schöpfungsmythen dieser Welt hatte natürlich auch Japan seinen Anfang. Vom Anfang allen Seins, der Geburt der Götter und der Erschaffung der Inseln will ich Euch in den nächsten Kapiteln erzählen.